Sehr zu meiner Freude : Ein Gastartikel von Manuela Bößel

Hallo Ihr Lieben,

vor ein paar Tagen bin ich auf einen Blogartikel gestoßen, der mich schier jauchzen ließ vor Freude, und den ich euch hier als Gastartikel vorstellen darf.

Dieser Artikel hat in der Münchner Tangoszene für einige Aufregung unter den Hardcoretraditionalisten gesorgt, für höchst überzogene Kommentare und anderwertige Reaktionen, die jeglicher Rationalität entbehrten.

Ich weiß ja immer noch nicht, warum alles was neu, fremd und anders ist, sofort schlecht und, oder böse ist. Warum eine eigene Meinung und Sicht der Dinge so viel Angst verbreiten kann. (Die politische Lage ist ja auch ein gutes Beispiel dafür.) Warum man nicht erst nachdenkt, ehe man die Ideen Andersdenkender verteufelt, von denen man durchaus auch etwas lernen könnte, oder zumindst eine andere Meinung gelten läßt, da wär ja auch schon viel geholfen. Mit Toleranz.

Nun wünsche ich euch viel Freude beim Lesen dieses wirklich gelungenen und spannenden Artikels !

 

Dienstag, 3. Mai 2016

Schwarz und Weiß und das dazwischen

Über erleuchtete Regelbewahrer, die Tango-Pozilei, die Angst vor dem MdK und was es außerhalb von Klischees alles zu entdecken gibt

„Meistens schauen wir nicht erst und definieren dann, wir definieren erst und schauen dann.“ Walter Lippmann: Die öffentliche Meinung (Public Opinion) 1922.[3]

Schwarz wie Ebenholz? DER TANGO

Primäre Assoziationswolken zum Tango zeigen meist schwarzhaarige Damen mit netzbestrumpften, highheelbewehrten Beinen, die mit melancholischem Blick und einem schneidigen Latin Lover engumschlungen durch erotikknisternde Dämmerung schweben. Schwarz gewandet natürlich.
Am Straßenrand in kniehohem Bodennebel sitzt ein alternder Bandoneonspieler auf einem Klappstuhl, Tränen der Sehnsucht in den Augen, eine langstielige Rose quer zwischen den Zähnen. In die Sichel des Mondes schmiegt sich schnurrend ein räudiger Kater.

„Vertikaler Ausdruck horizontaler Absichten“ und „ein trauriger Gedanke, den man tanzen kann“ sind Zitate, die tausendfach wiederholt werden. Wissenschaftliche, kulturhistorische und philosophische Betrachtungen des Phänomens „Tango“ gibt es zuhauf.

Hübsch marketingtaugliche Klischees ebenso, die inzwischen von Vertretern der „Tangopozilei“ als die einzig reine Wahrheit, als der (!) Standard (!) dargestellt und massiv verteidigt werden.  
So erleuchtet und rein und persilweiß.
Und die seltenen „Erst Schauer – dann Definierer“- Tangoistas sollen sich doch bitteschön (!) zurückziehen aus der „definierten Tangowelt“ und die Gosch’n halten, auf dass kein Neuling mit bösen Ideen infiltriert werde.
Helfen die Belehrungen nicht, werden die Revoluzzer gnadenlos abgestraft: Herabsetzungen, persönliche Beleidigungen, Ausschluss.

Beispiel gefällig?
http://milongafuehrer.blogspot.de/2015/11/von-der-feinsinnigkeit-traditioneller.html

Meine Erfahrung als „Tangouser“ ergänzt diese Bilder mit Eindrücken aus „freier“ Wildbahn: Mitbürger Ü50 bis Ü70 in karierten Funktionshemden, die sich gemächlich zu lauer Käsethekenmusik bewegen, können genauso desillusionieren wie pfauenradschlagende Ü30-er, die den Tango lediglich als schmückendes Beiwerk zur Brautschau nutzen.

Verzweifeltes Schwitzen, wenn sich das gewünschte Tangogefühl nicht einstellen mag, und Fluchen auf den inneren Schweinehund, der am Verbesserungswunsch der eigenen Technik nagt.

„Wo sind die Geigen hin? Koa Cello schluchzt, koa Bratsch’n woant…

… I brauch mein Kitsch, jawoll!“

(Konstantin Wecker)

Mit himmelblauen Valses dich trotzig lachend wieder ins Gleichgewicht tanzen, zu weinenden Geigen und  Dickermännergesang mit viel Schmalz gemeinsam improvisieren, in piazzollische Paralleluniversen entschweben, prickelnde Lebenslust in alle Körperzellen hineintanken, Bewegungen, die sich so zart anfühlen wie der Hauch von erstem Schnee, das Blitzen der Seele im Auge deines Gegenübers…
Tröstlich – denn auch das schenkt dir der Tango.

„Mein Tango“ wohnt irgendwo dazwischen, manchmal über sich selber lachend, gewürzt mit dem gesamten funkelnden emotionalen Spektrum, welches das Leben ausmacht. Jedes Mal neu und anders daherkommend, lässt er mich noch immer staunen.

Eigentlich ist alles ganz einfach:

Zwei Menschen kommunizieren tanzend, in Umarmung gerahmt von Musik. Kein Schritt ist vorgegeben. Der Tango schenkt die Form, die beide dann sinnlich und emotional füllen.

Ein weites Feld, wenn du erst schaust und dann beschreibst, was du alles gefunden hast. Verlass dich nicht auf vorgefertigte Definitionen! Die schränken nur deinen Blickwinkel ein und schließen dich von so mancher Erfahrung einfach aus.

Der Tango lebt im Augenblick, wenn du bereit ist, dich auf ihn einzulassen. Und schon schmeckt der Tango nach Bitterschokolade mit Schlagobers (oder Leberwurstbrot).

Dann zünde ich ein Kerzlein an, dem Schicksal dankend, dass ich nicht auf die „Tangopozilei“ gehört hab‘, und gewisse Schutzzonen vehement verteidigt werden.

So weiß (und kalt) wie Schnee? DIE PFLEGE

Ähnliche Tendenzen beobachte ich in der Pflege und im schulmedizinischen Bereich:
Standards definieren heute meist Einzelprobleme des Patienten. Vorgegebene „Einzel-Schritte“, für die ein bestimmtes Zeit- und Geldbudget festgelegt wurde, werden einzeln geplant, dokumentiert, evaluiert, überwacht.

Fehlerfähnchen auf der Landkarte Mensch.
Fein definiert.
Angeschaut, ob richtig dokumentiert und evaluiert.
Dann abgearbeitet.
Fertig.

Und die Stellen dazwischen?

War da nicht noch was?

  • Den ganzen Menschen sehen?
  • In seinem Umfeld?
  • Mit seiner ganz eigenen Geschichte?
  • Mit seinen Abneigungen und Vorlieben?
  • Mit seiner seelischen Verfassung, jetzt im Moment?
  • So – entschuldige den vielfach gefledderten Begriff – ganzheitlich?

Auch hier übernehmen die Regelbewahrer langsam aber sicher das Feld: weißbekittelte „Tangopozilisten“, das QM-Schild hochhaltend. Kotau vor dem MdK. Disziplinierungsmaßnahmen sind schlechte Bewertungen, gerne auch öffentlich. Oder noch mehr sinnlose Tätigkeiten, die mit der eigentlichen Pflege wenig zu tun haben. Vorgaben, die einzuhalten sind.

„Fummelpflegende“, die Nestbeschmutzer mit ganzheitlichem Ansatz und Gedankentum werden abqualifiziert als realitätsferne Sozialromantiker. Das wäre ja nicht bezahlbar! Das könne Pflege heute nicht leisten! Bei dem Personalmangel!

Ist das so?
Warum soll das so sein? 

Trotz allem, es gibt sie noch, die Biotope, in denen richtig gutes, ganzheitliches Arbeiten möglich ist: z.B. in der ambulanten Intensivpflege, im palliativen Bereich oder in privatgebuchten Versorgungen.

Das Spektrum der Möglichkeiten in der Pflege ist so weit, so erstaunlich vielfältig, wenn du dir erlaubst, mit dem Herzen zu schauen. So kommt wieder Bewegung ins Leben deines Patienten – in Leib und Seele.

Dann findest sogar Lebensfreude, wo du sie auf keinen Fall vermutet hättest. Das ist bestens für’s Immunssystem! Der Parasympathikus darf wieder mitspielen: er beruhigt das Herz und bringt Appetit und Verdauung in Gang. Die vertiefte Atmung verweigert der auf der Schwelle stehenden Pneumonie den Zutritt und verbessert die Gemütslage.

Tröstlich – denn auch so kann Pflege sein.

So rot wie Blut und bunt! 

Vorschläge zum Entdecken, Erforschen und Genießen der Töne zwischen schwarz und weiß:

  • Wirf die Regelvorgabenschablonenscheuklappen-Brille in den Müll!
  • Schau selber!
  • Weite deinen Blick und deinen Geist!
  • Der liebe Gott hat dir ein eigenes Hirn zum Denken gegeben. Dann benutz‘ es auch, vor allem, bevor du unreflektiert Vorgaben abnickst!

Viel Vergnügen!

Herzliche Grüße und bis bald,
Manuela Bößel

P.S. Tango-Pozilei“ gehört so und ist kein Tippfehler!

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Nachtrag am  8. Mai 2016

Du magst mich naiv nennen, aber solch‘ heftige Reaktionen auf diesen an sich harmlosen (so dachte ich) Artikel hätte ich nicht erwartet. Hui!
Hier findest du die Zusammenfassung der Ereignisse der letzten Tage: Was passiert, wenn du den Menschen zutraust oder gar zumutest, ihr eigenes Hirn zu nutzen…
http://milongafuehrer.blogspot.de/2016/05/einfach-abschalten.html

 

Vielen Dank Manuela für diesen Artikel, Du sprachest mir aus der Seele !

Dazu hier noch was aus den tiefen des Tan-Do-Archivs für dich Manu ( Ähnlichkeiten sind beabsichtigt;-))

und für alle Anderen zur Erklärung, das ist ein sehr früher Entwurf zur „Tangofarm“ ….zwinker…

Manu und Peter kennen sich schon sehr lange aus Augsburg und haben zusammen so manchen Kampf gegen die „Tangopozilei“ geschlagen und dafür aber auch im Tango das Fliegen genossen zusammen mit Astor 😉

Tangofarm

Den link zu Manuelas Blog findet ihr auch in der sidebar bei „Freunden“

 

TANGO LEBT !!! ES LEBE DER TANGO !!!

 

In diesem Sinne euch allen die Tangos eurer Träume ….

Alessandra SyS

 

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Bildquellen dieses Beitrags

15 thoughts on “Sehr zu meiner Freude : Ein Gastartikel von Manuela Bößel

  1. Pingback: Das freie Wort zum Sonntag von Gerhard Riedl - ATango-blog

  2. Lieber Heinz,

    ich glaube, da haben wir uns missverstanden: Mein Anliegen war es nicht, dass du auf meinem Blog kommentierst (obwohl mich das freuen würde), sondern auf Internetseiten von Leuten, die ziemlich doktrinär und aggressiv den traditionellen Tango samt dessen Regelwerk als „allein selig machend“ verkaufen und die andere Seite als „Takthopser“ und Schlimmeres bezeichnen, ihnen „Rücksichtslosigkeit“ auf der Tanzfläche attestieren etc.

    Das Thema scheint dir ja wichtig genug zu sein, hier ziemlich viel Text zu veröffentlichen – da sollten doch für die andere Seite ebenfalls ein paar Zeilen abfallen…

    Manuela greift niemand individuell an, was allerdings auf die Souveränität anderer baut, sich auch nicht sofort getroffen zu fühlen. Von der Gegenseite aber sind die Attacken fast stets persönlich. Das ist der Unterschied.

    Was mein Blog betrifft: Ich setze da schon auf die Diskussionskultur einer demokratischen Gesellschaft, die auch bei pointierten Argumenten nicht gleich „Revolution“ wittert. Ansonsten gibt es dort genügend positive und „harmlose“ Artikel (ich hab mal eine Zusammenstellung veröffentlicht), aber die nimmt man halt in gewissen Kreisen nicht zur Kenntnis.

    Dies nur in Kürze – ich werde deine Gedanken demnächst in einem längeren Beitrag verwenden.

    Beste Grüße
    Gerhard Riedl

  3. Lieber Heinz,

    Du siehst auch auf dieser Seite einen entscheidenden Unterschied zwischen den „Anhängern eines erweiterten Tangobegriffs“ (der Begriff stammt nicht von mir) und den Traditionalisten im Tango: Die einen sind sehr gerne zur Diskussion bereit, die anderen löschen im Zweifel lieber missliebige Ansichten.

    So war es ja auch auf der FB-Gruppe „Tango München“: Es hatte sich ja ein Diskurs über Manuelas Text entwickelt – aber der durfte halt nicht sein. Und nicht einmal im Nachgang fanden es die beiden Administratorinnen der Seite nötig, ihren Schritt – wenigstens der Autorin gegenüber – zu erklären. Nein: löschen und schweigen.

    Für mich ist das „Moderation nach Gutsherrenart“. Wenn Du dann noch dem Zensierten den Rat gibst, er hätte halt zur Vermeidung der Zensur seinen Text in vorauseilendem Gehorsam anders gestalten sollen, finde ich das schon heftig…

    Deinen Aufruf zu Toleranz und Respekt unterstütze ich sehr gerne. Es gibt im Internet sehr viele Seiten, auf denen in höchst doktrinärer Weise für den „einzig wahren Tango“ und seine angeblichen Spielregeln getrommelt wird. Menschen, die – wie ich zum Beispiel – im Tango mehr sehen als eine historische Veranstaltung, werden teilweise ziemlich rüde angegangen. Das reicht von der Behauptung, wir würden uns nicht weiterentwickeln (!) wollen, über Anleitungen, wie man solche Abweichler aus der Szene mobben kann, bis zu persönlichen Beschimpfungen. (Auf meinem Blog findest Du eine Vielzahl solcher Beispiele).

    Ich hoffe, Du hast auch dort schon einmal für ein „freundliches Miteinander“ geworben? Da fände ich überzeugend.

    Beste Tangogrüße
    Gerhard

    • Lieber Gerhard,
      vielen Dank auch Dir für Deinen Kommentar und Deinen Besuch bei uns 🙂 🙂 🙂
      Wir hoffen auf einen Gastbeitrag von Dir 😉
      we stay in contact
      Liebe Grüsse
      Alessandra und Peter

    • Lieber Gerhard,

      ich habe noch nicht so viel auf deinem Blog gelesen und meiner Erinnerung nach auch noch nichts geschrieben, also nein: Ich habe dort noch nicht für ein freundliches Miteinander geworben. Außerdem würde ich mich dann ja wie ein Moderator oder wie eine „Umgangs-Pozilei“ fühlen 😉

      Aber mir ist ehrlich gesagt das Thema nicht wichtig genug, als dass ich mich überall im Internet für ein freundliches Miteinander einsetzen würde – besonders, weil ich der Ansicht bin, dass gerade im Internet viele Menschen unterwegs sind, die genau daran nicht interessiert zu sein scheinen. Aber ich hoffe und denke, dass ich auch so überzeugend genug sein kann 🙂

      Was deinen Hinweis im ersten Abschnitt angeht: Ich halte das ebenso für Schwarz-/Weiß-Denken wie einige Formulierungen in den anderen Beiträgen hier: Auf der einen Seite die (bösen) Traditionalisten, die alle in keinem Fall zu irgendwelchen Diskussionen bereit sind und missliebige Ansichten löschen und auf der anderen Seite die guten „Anhänger eines erweiterten Tangobegriffs“, die mit ihren Ansichten die Tango-Welt befreien wollen. Man kann einfach nicht von ein paar Menschen auf alle schließen. Nur weil einige einen Beitrag kommentarlos gelöscht haben heißt das nicht, dass andere in der Gruppe es genauso tun würden oder andere Meinungen nicht akzeptieren würden. In allen Lagern gibt es streitbare und weniger streitbare Menschen – wie überall woanders auch.

      Noch einmal: Ich verstehe Manuelas Ärger über die Löschung durchaus. Aber wie ich schon geschrieben habe, war so etwas meiner Ansicht nach vorauszusehen – oder eben, dass sich ein unangenehmer Disput entwickelt hätte, den die Admins auf ihrer Facebook-Seite nicht haben wollten und sich daher zu diesem Schritt genötigt sahen – aber auch das ist reine Vermutung.

      Was die Beschimpfungen in den Kommentaren auf deinem Blog angehen…nun, auch hier denke ich, dass du – genauso wie Manuela – selbst dafür verantwortlich bist. Die Art deiner Formulierungen, die Begriffe und Bezeichnungen, die du verwendest, all dies spaltet, verletzt teilweise, so dass sich sich Menschen angegriffen fühlen und sich verteidigen wollen. Ich bin sicher, dass du vielleicht weniger Aufmerksamkeit aber in der Sache mehr erreichen würdest, wenn deine Artikel in einem anderen Ton geschrieben wären. Wie sagt man so schön: „Wie es in den Wald hineinruft…“ Da ist oft etwas Wahres dran.

      Aber auch bei dir gehe ich davon aus, dass du genau weißt, was du schreibst und wie deine Formulierungen bei einem Teil deiner Leserschaft ankommen und dass du das aus welchen Gründen auch immer in Kauf nimmst. Also würde ich mal vermuten, dass du ganz gut mit den Beschimpfungen in den Kommentaren umgehen leben kannst 😉

      Dir auch beste Grüße,
      H.G.

  4. Nun ja, dein Artikel kennt ja auch nur Schwarz und Weiß (mein Eindruck): Da sind auf der einen Seite die Freigeister, die sich an keine Regeln halten wollen und die sich durch die anderen behindert und gestört fühlen und auf der anderen Seite die „Tango-Pozilei“, die den erstgenannten mit ihren Regeln und ihrer Art zu tanzen die Suppe versalzen.

    Schade, ansonsten hätte es ein schöner Artikel sein können, aber diese polarisierende, polemische Darstellung macht mir keinen Spaß und birgt leider, wie geschehen, Entzündungspotential und das ist ganz sicher so gewollt, denn wenn nicht hieße das, dass du nicht weißt, was du da schreibst (was ich nicht glaube).

    Ich denke, es kann nur einen Weg geben: Beide Seiten sollten sich mit Respekt behandeln. Es gibt genug Veranstaltungen, in denen sich Tänzer austoben können und es gibt genügend weitere Veranstaltungen für Tänzer, die etwas anderes im Tango suchen. Und dazwischen gibt es noch viele verschiedene Schattierungen von Veranstaltungen, in denen sich Tänzer jeder Richtung treffen, gemeinsam ihrem Hobby frönen und mal hier und mal da schnuppern können.

    Wer sich lieber austoben und sich kreativ zu vornehmlich alternativer Musik bewegen möchte, der kann dies auf den entsprechenden Veranstaltungen tun und umgekehrt. Wer einmal etwas anderes ausprobieren möchte, als er normalerweise tut, geht eben auf eine Veranstaltung der anderen Richtung oder eben eine von denen, die dazwischen liegen. Wo also ist das Problem?

    Was ich persönlich schade finde ist, dass es einige wenige gibt, die immer wieder das Feuer schüren und Öl hineingießen müssen – und dazu gehört dein Artikel ebenso, wie die in ihm verlinkten Beiträge. Dabei würden weniger polarisierende und polemisierende Beiträge eher zu einer fruchtbaren Diskussion anregen, die uns weiterbringen könnte.

    Du musst dir also die Frage gefallen lassen, weshalb du gerade diesen Stil für deinen Beitrag gewählt hast? Hast du vielleicht das Ergebnis vorausgesehen und darauf gehofft, dass es eskalieren würde? Wenn ja, was wolltest du dann damit erreichen?

    Ich würde also nicht der Münchner-FB-Gruppe die Schuld geben: Es ist immer besser, zuerst auf die eigene Nase zu schauen und da hättest du mit ein paar kleinen Änderungen in deinem Text sicher eine andere Reaktion erlebt.

    In dem Sinne: Für ein freundliches Miteinander!

    Nebenbei: Was ist an der „Pozilei“ eigentlich so schlecht, dass sie als Namensgeber für etwas herhalten muss, das dir gegen den Strich geht?

    • „Nun ja, dein Artikel kennt ja auch nur Schwarz und Weiß (mein Eindruck): Da sind auf der einen Seite die Freigeister, die sich an keine Regeln halten wollen und die sich durch die anderen behindert und gestört fühlen und auf der anderen Seite die „Tango-Pozilei“, die den erstgenannten mit ihren Regeln und ihrer Art zu tanzen die Suppe versalzen.“

      Lieber Heinz,

      pardon, der Herr, hab ich mir doch eine solche Mühe gegeben, „das (meinige) dazwischen“ ausführlich zu beschreiben. Nimmt ja doch viel Raum im Artikel ein…

      Mein Ziel war es, zu freigeistigem Denken zu ermuntern:
      Das bedeutet für mich Fragen stellen (auch „unerlaubte“), Sachverhalte mit eigenen Werten samt Erfahrungen abgleichen und schließlich entscheiden (!), ob man sich in diesem Moment an eine Regel halten möchte/kann oder auch nicht.

      Es geht darum, sein eigenes Hirn einzuschalten!
      Ganz einfach. Nicht mehr und nicht weniger.
      Ist das so gefährlich?
      Öl ins Feuer? Wenn ja, in welches? Oder in Komfort- respektive „potenzielle Kundenzonen“?

      Sich grundsätzlich nicht an Regeln zu halten, finde ich genauso eingeschränkt, deppert und fad, wie alle Verhaltensmaßregeln mit „Jawoll“ abzunicken und sich unreflektiert daran zu halten. (Die Geschichte zeigt, ja daraus entstehen kann.)

      Dass mein Artikel aber nun schon oft genug auf den Vorwurf „Anstiftung zum RegelBRECHEN“ reduziert wurde, wundert mich schon.
      Sieht man etwa meinen Tango und mich im Geiste gegen die Tanzrichtung kickboxend und laut johlend zu Metallica Purzelbäume schlagen? Das Aufforderungsritual beschränkt auf „Macht’s alle mit! Heut‘ brechen wir jede daherkommende Regel? Hossa!“

      Das Problem mit der Wahl des „Austobungsortes“ beginnt schon damit, dass Veranstaltungen „dazwischen“ bald schon – da vom Aussterben bedroht – unter Naturschutz stehen müssten.
      Die reinen Tangoveranstaltungen sind in der Mehrzahl längst in der Hand der Traditionalisten: mit deutlich eingeschränktem musikalischem Spektrum, Códigos in Listenform an der Kasse, finstere Mienen auf dem Parkett.
      Die sogenannten Alternativmilongas spielen alles mögliche, Tango steht eher vereinzelt auf deren Playlists. Lustiger geht’s dort schon zu, aber ich würd‘ doch so gern auch zu Adriana Varela, Piazzolla oder zu Tangos von noch lebendigen Musikern tanzen! Ja, es gibt prä- und post-EdO-Tango!

      Meine Erfahrung zeigt mir immer wieder, dass es nahezu unmöglich ist, mit jemandem „fruchtbar“ zu diskutieren, dessen Meinung schon fest zementiert ist. Ich stelle lieber Fragen. Und beobachte.
      Respektvoller Umgang miteinand‘, vor allem im richtigen Leben, steht dazu nicht im Widerspruch. 😉

      „Schuldkärtchen“ zu vergeben liegt mir fern und meine Nase ist gewiss lang genug, dass ich drauf schauen kann. Was ich für gewöhnlich vor dem Schreiben tue.

      Aber meinem Text die Ecken und Kanten zu nehmen, kann und will ich nicht.

      Ein befreundeter Künstler, der seine düsterstimmungsträchtigen Tuschezeichnungen ausstellte, wurde gefragt „…ob man da nicht was machen könne, a bissele farbiger vielleicht?“. Dann hätte es die Vernissagebesucherin schon gekauft.

      Beste Grüße!
      Manuela

      • Liebe Manuela,

        nochmal vielen Dank für Deinen wunderbaren Artikel, und für diesen Kommentar, denn damit muss ich nicht mehr lang und breit erklären, warum mir was Du schriebest so am Herzen liegt.
        Ich wünsche Dir und uns zauberische Nächte; tanzend, lachend, zu spannender Musik, an den schönsten Orten dieser Welt, und sei es mit geschlossenen Augen am Arsch der Welt, oder Auge in Auge mit dem Liebsten, im Hier und Jetzt … Liber Tango … erinnert mich an „Befreiung“ 😉
        das Bild mit den schmutzigen Füßchen mag ich sehr … Gute Nacht Dir !!!

        Alessandra

      • Liebe Manuela,

        vielen Dank, dass du dir die Mühe gemacht hast, so detailliert auf meinen Beitrag zu antworten.

        Ich werfe dir keine Anstiftung zum Regelbrechen vor – und selbst wenn dein Artikel ein solches Ziel verfolgen würde, wäre das vollkommen in Ordnung! Die Frage ist jedoch, wen und was ich mit einer Aktion oder einer Information erreichen will und dazu wähle ich dann die geeigneten Mittel. Du schreibst, dass du zu freigeistigem Denken ermuntern möchtest. Ich empfinde es halt so, dass du für eine so empfindliche Debatte sowohl den falschen Ort als auch den falschen Ton gewählt und damit willent- und wissentlich Öl ins Feuer gegossen und damit die aktuelle, eher unfruchtbare Diskussion ausgelöst hast (ich kann mir einfach beim besten Willen nicht vorstellen, dass du nicht genau weißt, wie deine Worte und Formulierungen bei den Adressaten ankommen). Wenn du Menschen vor den Kopf stößt, die anderer Meinung als du sind, dann musst du mit einer entsprechenden Gegenreaktion rechnen. Nur in wenigen Fällen wirst du auf diese Art ein Überdenken ihrer gewohnten Verhaltens- und Denkmuster erreichen.

        Schwierig wird es immer, wenn die verschiedenen Seiten davon überzeugt sind, mit ihrer Sichtweise richtig zu liegen – und da bist du keine Ausnahme. Auch du scheinst nach meinem Eindruck davon überzeugt zu sein, dass dein Weg, deine Sichtweise die Richtige und einzig Mögliche ist und stellst daher den Freigeist, der Regeln bricht, alles in Frage stellt und dann seine Entscheidungen trifft (natürlich nur im Sinne der Vorstellung, die du von einem Freigeist hast) als Positiv-Pol dem „depperten, faden, jawoll-sagenden“ Regelabnickern und Zementköpfen, deren Gehirn scheinbar abgeschaltet ist und die scheinbar vollkommen fremdgesteuert keine eigenen Entscheidungen treffen können als Negativ-Pol entgegen.

        Was du damit erreichst ist genau das Gegenteil von dem, was du deinen eigenen Aussagen zufolge erreichen möchtest: Die so angesprochenen werden sich wehren – und das haben sie getan. Ich gehe mal davon aus, dass du tatsächlich eine Art Sendungsbewusstsein hast und nicht nur Öl in eine eh schon problematische Diskussion gießen wolltest. Aber wie du siehst, ist deine Idee leider nach hinten losgegangen: Anstatt dass die Lager über die Positionen der anderen nachdenken, aufeinander zugehen, vielleicht ihre Sichtweise überdenken und sich vielleicht sogar die Hände reichen, sind die Positionen nun noch mehr verhärtet.

        Nein, das ist meines Erachtens nicht zielführend und wie ich schon sagte: Die Reaktionen waren vorauszusehen. Dass die Auseinandersetzung jetzt auch noch auf dieselbe Art und Weise weitergeführt wird (siehe Gerhard Riedls Blog), halte ich für ebensowenig sinnvoll. All dies trägt nur dazu bei, die Lager weiter gegeneinander aufzuhetzen. Satire, Zynismus, Polemik und mehr oder weniger persönliche Angriffe gegen eine Gruppe sind in dieser Situation meiner Meinung nach kein geeignetes Mittel, um Menschen zu anderem Denken zu bewegen. Und so sehr ich deinen Ärger über die Löschung deines Artikels auch nachvollziehen kann – es würde mir vielleicht genauso gehen – so wenig sinnvoll empfinde ich den Streit darüber.

        Fragen zu stellen und nachdenkliche Gedanken zu äußern ist sicherlich nicht verwerflich, im Gegenteil, aber es kommt auch darauf an, in welchem Ton man das tut. Respektvoller Umgang bedeutet, sich immer wieder darüber Gedanken zu machen, wie die andere Seite die eigenen Handlungen und Äußerungen empfinden könnte. In eh schon etwas festgefahrenen oder sogar aufgeregteren Situationen ist es um so notwendiger, einen Schritt zurückzutreten und möglichst sachlich zu formulieren ohne angreifen zu wollen.

        Wie gesagt: Ich persönlich empfinde deine Formulierungen eben so, wie ich es in meinem ersten Beitrag weiter oben schon beschrieben habe und das macht mir wenig Lust, mich wirklich darauf einzulassen. Ich tue es trotzdem und diskutiere mit dir, weil ich mir erhoffe, dass ich dich vielleicht dazu einladen kann, die Angelegenheit von einem anderen Standpunkt aus, mit einer anderen Brille zu betrachten und vielleicht etwas Verständnis für uns „Zementköpfe“ (;-)) zu entwickeln.

        Du schreibst, dass die Meinungen anderer (wahrscheinlich auch meiner) so zementiert sind, dass es unmöglich wäre, mit ihnen (also auch mir) zu diskutieren. Ich kann dir selbiges widerspiegeln: Auch ich empfinde deine Ansichten und Darstellungen ebenso festgefahren, dass es dir scheinbar kaum noch möglich ist, dich (bei diesem Thema) in die andere Person, die andere Gruppe hineinzuversetzen.

        Was machen wir nun daraus? Wir könnten uns natürlich stunden-, tago- oder wochenlang darüber unterhalten, uns streiten, uns anfahren, uns immer wieder unsere beiderseitig zementierten Meinungen an den (virtuellen) Kopf werfen. Wir könnten uns aber auch aufeinander zu bewegen oder wir aktzeptieren einfach, dass wir jeweils anderer Meinung sind und lassen es dabei bewenden. Wie auch immer: die erste Option empfinde ich als komplette Energie- und Zeitverschwendung und keiner Sache dienlich.

        Aber wie du hoffentlich bemerken wirst, versuche ich meine Formulierungen von jeglicher Spitze freizuhalten, um die Diskussion nicht eskalieren zu lassen und ich bin sehr bemüht, dich als vielleicht in einigen Teilen andersdenkende nicht auf irgend eine Weise anzugreifen. Das ist meines Erachtens viel zielführender und führt zumindest zu einer sachlicheren Diskussion, vielleicht sogar zu einem besseren Verständnis auf beiden Seiten, als ich deinen Weg empfinde.

        Und zu dem eigentlichen Thema:
        Ich oute mich mal als jemand, der gerne zu Milongas geht, auf denen traditionell aufgelegt wird – aber das wirst du dir schon gedacht haben. Du kennst mich nicht, also kannst du dir eigentlich weder ein Urteil über meine Person, mein Verhalten und schon gar nicht über die Funktionsweise meines Gehirns bzw. meiner Entscheidungsfindungsprozesse, ja noch nicht einmal über meine eventuelle Freigeistigkeit machen (man könnte überhaupt lange darüber diskutieren, was genau eigentlich einen Freigeist ausmacht).

        Ich habe mich bewusst zu dieser Art von Veranstaltungen entschieden. Über das Warum möchte ich hier gar nicht weiter auslassen. Aber ich habe genau das getan: Ich habe die verschiedenen Möglichkeiten erfahren, habe sie mit meinen eigenen Erfahrungen und Werten abgeglichen, habe mir Fragen gestellt und mich letztendlich momentan (!) für diese Art von Veranstaltungen entschieden. Zusammengenommen fühle ich mich einfach dort am wohlsten – warum sollte ich mich also anders entscheiden? Nur weil es nicht in dein „Freigeist-Konzept“ passt? Ich habe allerdings überhaupt nichts dagegen, dass es andere Veranstaltungen gibt – die ich zugegenermaßen nicht mehr besuche. Aber das kann sich auch ändern – meine Entscheidungen ist in Stein gemeißelt, aber ich entscheide (!) selbst, ob und wann ich etwas an meinen momentanen Präferenzen ändern werde.

        Und ja, ich bin froh, dass es Veranstaltungen gibt, in denen ich mich rundum wohl fühle. Allerdings muss auch ich dafür viel auf mich nehmen, denn für diese Veranstaltungen muss auch ich weit fahren – ähnliches würde übrigens auch auf nicht-traditionelle Tango-Veranstaltungen mit vornehmlich alternativer Musik zutreffen. Also kann ich deinen/euren Unmut durchaus nachvollziehen. Hier gibt es meines Erachtens nur die 2 Möglichkeiten: Entweder man nimmt es in Kauf, dass man für sein Hobby etliche Stunden im Auto verbringt und ggf. sogar Hotelkosten zahlen muss oder man organisiert selbst Veranstaltungen nach eigenem Gusto.

        Ich weiß also gar nicht, weshalb darum so ein starker Wirbel gemacht wird? Ich kenne genug Tänzer und Tänzerinnen, die zwar gern zu traditioneller Tangomusik tanzen, aber ebenso gerne auch mal zu modernerer Musik oder gar zu alternativer Musik tanzen. Für diese Gruppe gibt es hier in D genügend Milongas. Auch was die Aufforderungspraktik angeht, so wird auf den meisten örtlichen Milongas ganz normal aufgefordert, wie in jeder normalen Tanzschule (Standard-/Latein) üblich ist. Und wer es einmal anders erleben möchte, geht auf die entsprechenden Veranstaltungen mit traditioneller Musik und Aufforderung per Mirada & Cabeceo, aber es gibt auch viele Veranstaltungen, wo beides möglich ist und praktiziert wird. Wenn ich auf eine örtliche Veranstaltung gehe, dann akzeptiere ich dort ja auch die dortigen „Regeln“, weshalb sollte dies nicht auch für die traditionellen Milongas und Encuentros gelten?

        Ich habe kein Sendungsbewusstsein was den Tango angeht. Mir ist es egal, wie und wo andere tanzen, solange sie mich so lernen und tanzen lassen, wie ich und dort wo ich es mag. Ich muss nicht mit anderen darüber streiten, ob dieser oder jener Tanzstil der richtige ist oder nicht, ich werfe niemandem etwas vor, jeder soll mit seinem Tango glücklich werden. Wir teilen alle ein höchst vielfältiges und schönes Hobby, jeder kann sich herauspicken, was er mag und was nicht, keiner muss alles können und wir befinden uns hoffentlich alle in einer Entwicklung – also lass uns doch einfach daran erfreuen anstatt über meiner Meinung nach Nichtigkeiten zu streiten?

        Ebenfalls beste Grüße!
        H.G.

    • Lieber Heinz,

      vorerst vielen Dank für Deinen Besuch bei uns !

      Ja, Respekt und Toleranz, da bin ich ganz bei Dir und ich finde es sehr seltsam, was Manuelas Artikel ausgelöst hat. Manuela hat niemand persönlich angegriffen, es wurde KEIN Name genannt, und der Artikel war, meiner Meinung nach, auch niemals untergriffig. Es müssen sich aber Viele betroffen gefühlt haben, anders kann ich mir diese Reaktionen nicht erklären.
      Ich besuche jedenfalls nicht eine traditionelle Milonga, um dann pausenlos herumzumosern, dass mir fad ist, wie ich das umgekehrt schon oft erlebt habe, denn dann geh ich halt nicht hin.
      Sei es, wie es sei, du sagst es gibt genug Veranstaltungen, bei denen man seinen Vorlieben nachgehen kann … dann seid ihr in Deutschland sehr glücklich, denn hier in Wien haben wir leider nicht so viel Auswahl…
      Und wenn dann mal jemand kommt und eine Milonga veranstaltet ( nicht wir ggg ) und sich erdreistet aufzulegen, was ihm gefällt, quasi aus dem Bauch raus, erdreistet sich die Wiener Tangopozelei zu sagen : SO KANN MAN NICHT AUFLEGEN, DAS GEHT GAR NICHT … ich war live dabei…so viel zu Thema Toleranz und Akzeptanz und Respekt. ( das war`s dann mit dieser Milonga ….)
      Aber auch hier, wie im richtigen Leben, geht es um Schüler, Milongabesucher, um Kohle halt … und Gott Lob müssen wir da nicht mit … uns geht es um Tango, Spass, Musik, um Leben wie es uns gefällt und LEBEN LASSEN …
      Ich würde mich freuen, wenn Du uns wieder besuchst und wünsche Dir die Tangos Deiner Träume und alles Liebe

      Alessandra SyS

      • Liebe Alexandra,

        zunächst einmal vielen Dank für deinen Willkommensgruß! 🙂

        Ich möchte auf deine weiteren Anmerkungen eingehen:

        du schreibst, dass in Manuelas Artikel niemand persönlich angegriffen wurde und dass der Artikel war niemals untergriffig wirkte
        Ja, das mag sein, aber es wurde eine ganze Gruppe in eine Ecke gestellt, in welcher sie nur eines tun konnte: sich verteidigen. Und das führt letzten Endes nur zu den ewigen Auseinandersetzungen und Wiederholungen, ohne dass die beiden Lager aufeinander zugehen würden. Meines Erachtens war es aus diesem Grund die richtige Entscheidung, diesen Beitrag zu löschen. Ob man dies kommentarlos tut oder den Autoren persönlich oder die Betroffenen öffentlich darüber informiert, steht auf einem anderen Blatt. Aber auch das obliegt in der Entscheidung derjenigen, die eine solche FB-Gruppe verwalten.

        Beispiele für die scharfen Formulierungen: Die Einleitung samt dem Schluss „…Vertretern der ‚Tangopozilei‘ als die einzig reine Wahrheit…“ – Der Adressat ist klar (eine bestimmte Gruppe von tangotanzenden Menschen) und diese Gruppe fühlt sich sicher mit der Adressierung nicht wohl, wird schon bei diesem Satz auf Abstand und Abwehr gehen und die nächste Äußerung treibt das mit „So erleuchtet und rein und persilweiß“ auf die Spitze. Sicher, es steht da nichts Schlimmes, aber wie ich es schon zuvor geschrieben habe: Der Ton macht die Musik! Und dieser Ton ist spitz, scharf und unangenehm. Er soll angreifen, verletzen und dadurch (??) vermeintlich zum Umdenken anregen. Ich würde sagen – sorry für die klare Formulierung: Ziel verfehlt, denn die Wirkung war und ist – zumindest auf mich – eine ganz andere. Und letzten Endes hat sie nur erreicht, dass nun über ein ganz anderes Thema gestritten wird, anstatt um die Themen, die Manuela eigentlich am Herzen liegen.

        Weiters findet sich in ihrem Beitrag die Gegenüberstellung von klar definierten, konträren Positionen und die Zuordnung zu Gut und Böse: Auf der einen Seite die „Revoluzzer“, die „Freigeister“, die Hirn-aktivierten (Gut), die den Belehrungen und Beschränkungen der „Tangopozilei“ (Böse) ausgesetzt sind, in ihrer Freiheit und in ihren Entscheidungsmöglichkeiten eingeschränkt werden, die „persönlichen Beleidigungen“, „Herabsetzungen“ und „Ausschlüssen“ ausgesetzt sind. Ich empfinde diese Gegenüberstellung als unsachlich und unrichtig. Auf beiden Seiten gibt es unbelehrbare Menschen und es gibt auch viele Schattierungen dazwischen. Aber so werden zwei Lager gegenübergestellt, wobei die eine, die eigene Seite als Gut und die andere Seite als schlecht dargestellt wird, was bei einer Identifizierung natürlich dazu führt, dass die einen den Artikel hochloben und die anderen ihn zumindest kritisieren oder – wie geschehen – kommentarlos löschen werden, weil sie sich ungerechtfertigt in die falsche Ecke gestellt und angegriffen fühlen.

        Es gibt weitere Abschnitte, die eigentlich schön formuliert sind, die aber der sich angegriffen fühlenden Gruppe im Hals stecken bleiben, weil zwar nicht direkt ausgesagt wird, aber dennoch mitschwingt, dass sie angeblich diese Erlebnisse nicht haben, während die Freigeister sozusagen gefühlsmäßig aus dem Vollen schöpfen.

        Im Tango gibt es viele unterschiedliche Menschen und wir alle haben die unterschiedlichsten Beweggründe, die uns zum Tango geführt haben. Es gibt Beginner, Fortgeschrittene, Individualisten, reine Spaßtänzer, Tänzer mit Anspruch und vieles mehr und alle befinden sich mehr oder weniger in einer Entwicklung. Sie alle über einen Kamm zu scheren oder in zwei Gruppen einzuteilen, ist meiner Ansicht nach zu simpel. Wer sich befreien möchte, muss zunächst einmal eine wie auch immer geartete Beschränkung fühlen. Es mag sein, dass Menschen, die seit 20 Jahren tanzen, langsam etwas anderes suchen, als noch zur Zeit ihrer ersten Schritte auf dem Tanzboden, aber sie sollten sich dann daran erinnern, wie es für sie am Anfang war, denn oft sind Anfänger froh, wenn sie im wahrsten Sinne der Redewendung „Boden unter den Füßen“ fühlen, also taktklare Musik hören, nach der sie ohne große Überlegungen ihre Schritte setzen können. Der eine beginnt früher, der andere später, sich zu entwickeln und sich von teilweise liebgewonnenen Gewohnheiten zu trennen, weitere sind einfach mit dem zufrieden was sie an einem bestimmten Punkt erreicht haben.

        Wer bin ich (oder wer ist Manuela), dass ich jemandem vorschreiben könnte, er solle nach anderem (ich schreibe bewusst nicht: höherem!) streben? Wer sagt denn, dass der momentan zufriedene, dem ich das vorschlage, sich mit meiner Sichtweise tatsächlich wohler, besser fühlen, dass er schönere Erlebnisse haben wird? Da würde ich meine eigenen Gefühle über das Erleben und Empfinden das eines anderen setzen, ich würde meine Ansichten, meine Vorstellungen als Standard definieren, an denen sich alle anderen orientieren müssten. Das funktioniert so aber nicht.

        Und meinem persönlichen Empfinden und meiner Erfahrung nach schaffen bestimmte Regeln einfach eine deutlich angenehmere Atmosphäre auf einer Tanzveranstaltung, als Beispiel sei da nur die vorherige Kontaktaufnahme unter Männern bzw. den Führenden beim Betreten der Tanzfläche genannt, die dafür sorgt, dass ein Tänzer in der Ronda oder überhaupt auf der Tanzfläche dem eintretenden Paar Platz lässt. Ich empfinde das als eine freundliche und sehr schöne Geste, die dafür sorgt, dass niemand angerempelt wird, dass eine freundliche Atmosphäre entsteht und man das Gefühl hat, nicht allein auf der Tanzfläche zu sein. Zudem schaffen diese Kontaktaufnahmen auch einen besseren Kontakt unter den (männlichen) Tänzern, was meiner Erfahrung nach auch zu einer freundlichen, insgesamt angenehmen Atmosphäre auf und neben der Tanzfläche beiträgt.

        Ich finde, dass ein polemisierender, spitz formulierter Beitrag hier nicht für Klärung oder Umdenken (die Frage ist: wohin?) sorgen kann, dazu ist das Thema meiner Meinung nach einfach zu vielschichtig.

        Die nachfolgende Verbindung zum Pflegebereich kann ich nur schlecht nachvollziehen. Sicherlich ein ernstes Thema und ja, da gäbe es so einiges zu verbessern, aber mit den von Manuela beschriebenen Prozessen im Tango, die ich tatsächlich ganz anders betrachte, sehe ich keine Verbindung, keine Zusammenhänge.

        Ich kenne die Wiener Tangoszene nicht, kann mir daher kein Urteil darüber erlauben. Aber nach meiner Erfahrung ist es so, dass die Milongas, auf denen nach freiem Gutdünken, sozusagen „freigeistig“ aufgelegt wird, oft nicht besonders gut besucht sind, während die traditionellen Milongas meistens sehr gut besucht sind. Woran liegt das? Einerlei, es gibt verschiedene Veranstaltungen und jeder kann sich aussuchen, wohin er geht oder er organisiert und veranstaltet halt eine eigene Milonga nach eigenen Vorstellungen.

        Aber auch dein – ansonsten sehr netter – Beitrag enthält genau dieses Schwarz-Weiß-Denken, dass uns in der Angelegenheit nicht weiterführt: Weshalb müssen diejenigen, die halt andere Vorstellungen haben, unbedingt als „Tangopozilei“ bezeichnet werden, die sich auch nich „erdreisten“ ihre Meinung zu äußern? Weshalb dürfen sie dies nicht? Das tun die anderen doch auch?

        Natürlich kann jeder auf seiner Veranstaltung auflegen, wie er möchte, aber er muss damit rechnen, dass dann ein bestimmter Teil der Tänzer wegbleibt. Wenn das ok ist, dann ist doch alles gut? Der Veranstalter sollte dann bei seiner Linie bleiben und es im besten Fall vorher noch ankündigen, dass die Musik auf seiner Milonga eben sowohl vornehmelich jegliche Musik gespielt wird und es keine Regeln gibt (z. B. Tandas, Cortinas, Ronda was auch immer). Dann können sich alle vorher entscheiden, ob sie diese Veranstaltung besuchen wollen oder nicht und es kann eigentlich keinen Ärger geben – und wenn doch: Dann müsste sich der Schreihals (du hast in Großbuchstaben geschrieben :-D) die Frage gefallen lassen, weshalb er denn überhaupt zu dieser Veranstaltung gekommen ist?

        Und auch dein Hinweis, dass es um „Tango, Spaß, Musik, um Leben wie es uns gefällt und LEBEN LASSEN…“ geht – wer sagt dir, dass es mir nicht um genau das gleiche geht? Wieder eine Einteilung in die „Freigeister“, die Spaß haben und die anderen, die angeblich nur sauertöpfisch und ohne Spaß auf den Milongas herumlungern und auf der Tanzfläche hin und her wanken. Zugegeben, letzteres hast du nicht geschrieben, aber das könnte man aus den Zwischenzeilen durchaus herauslesen (wobei Übertreibung ja bekanntlich veranschaulicht 😉 ).

        Na ja, ich hoffe, wir bleiben im Dialog, auch wenn wir (noch) unterschiedlicher Meinung sein sollten 🙂

        Gruß,
        H.G.

        • Lieber Heinz,

          vorerst : ich freu mich über Deine Antwort ! 🙂
          Weil Du Dir die Zeit genommen hast so ausführlich zu antworten, nehme ich mir die Zeit jetzt auch und versuche zu jedem Punkt Stellung zu beziehen, denn da liegt mir schon so einiges am Herzen.

          Zu Manuelas Artikel : Es ist ihr blog, sie kann da schreiben was sie möchte, sie hat niemand persönlich angegriffen oder beleidigt, es kann einem gefallen oder nicht, aber ich bin immernoch für die freie Meinungsäusserung. Ich finde ihren Artikel witzig und gerade der Vergleich mit der Krankenpflege ist für mich sehr spannend. Wie überhaupt das „Prinzip Tango“ sich auf Vieles im „normalen Leben“ anwenden lässt. Die Löschung aus dieser Gruppe ist ein eigenes Kapitel, das meiner Meinung nach ohnehin schon zu Tode diskutiert ist, und wo ich meinen Senf nicht auch noch dazugeben muss, zumal zu erahnen ist, wie ich das sehe ! Freie Meinung …. Aber natürlich ist es jedem Administrator unbenommen in seiner Gruppe zu agieren, wie er mag, denn es ist ja seine Gruppe und das sehe ich wie das Hausrecht, ich lade ja auch nicht jeden zu mir nach Hause ein, zumal wenn ich Angst vor ihm habe oder ihn schlicht nicht leiden kann…

          Ich glaube nicht, dass Manuela jemand zu Umdenken bringen möchte, sondern eher zum Nachdenken. Und ich verstehe offengestanden den ganzen „Aufstand“ nicht. Wenn ich Beiträge lese, deren Inhalt mir nicht gefällt, dann „klappe ich das Buch zu“ und gut, und es muss schon etwas sehr Bewegendes sein, dass ich mir die Zeit nehme einen bösen „Leserbrief“ zu verfassen. (Und damit meine ich nicht Dich, um das dezitiert zu sagen !!!)
          Du sagst,es gibt schöne Abschnitte in dem Artikel, aber da schwingt mit, dass … sorry, aber was „mitschwingt“ ist doch eher die Interpretation des Lesers oder ?
          Natürlich ist jeder Mensch anders, jeder erlebt SEINEN Tango anders, hat andere Erwartungen und Vorstellungen und „uns“ (um das Lagerdenken weiter zu bedienen) liegt sicher nichts ferner, als jemanden zu „Bekehren“, oder ihn seiner Meinung zu berauben. Ich glaube auch nicht, dass Manuela irgendjemandem unterstellt weniger erleuchtet, motiviert, euphorisiert oder sonstewas zu sein, und sie behauptet auch nicht den Stein der Weisen gefunden zu haben.

          Letztendlich sind all diese Schuldzuweisungen der beiden „Lager“ eine Frage von „Henne und Ei“. Peter kennt die deutsche Tangoszene seit nunmehr 21 Jahren, und was da schon so alles abging, war nicht immer die feine argentinische Art … Es wurde zum Beispiel Tänzern verboten seine Milongas zu besuchen, taten sie aber dann trotzdem und es wurde „Acht und Bann“ verhängt … (Ich glaube es war die Henne zuerst da, aber ich war nicht dabei 😉 )

          Hier in Wien bin ich schon dabei und was ich von besagter Milonga berichtet habe ist Fakt und hat nicht unbedingt damit zu tun, dass es zu wenige Tänzer gäbe, die gerne abwechslungsreiche Musik hören, sondern, wie auch schon gesagt, mit „Tangobusiness“ und Futterneid. (Auch in Deutschland ist der rave, glaube ich, eines der grössten festivals, wenn ich nicht irre und in Wien ist die crossover-milonga auch immer voll)
          Ich persönlich will NIEMAND bekehren, umstimmen oder sonst etwas, jeder soll nach seiner Facon tanzen und glücklich werden und das meine ich keineswegs herablassend oder sarkastisch, wie ja angeklungen ist, und ich unterstelle auch niemandem, keinen Spass haben zu können mit seinem Tango, wie auch immer der aussehen mag.
          Wie gesagt: LEBEN UND LEBEN LASSEN wäre chic.
          Der Schreihals auf besagter Milonga war übrigens ein Veranstalter einer Milonga, der offensichtlich den Hals nicht vollbekommen kann. (Wahrscheinlich verträgt Wien keine 2 Milongas am selben Wochentag ….)
          Wie du richtig sagst, habe ich niemals behauptet, oder angedeuted, dass fans traditioneller Milongas automatisch spassbefreit sind, oder sonst irgendwie minderbemittelt, das fiele mir im Traum nicht ein, denn über die Befindlichkeiten anderer maße ich mir gewiß kein Urteil an. Und ich sehe mich auch nicht als den einzigen Freigeist auf dieser Welt.
          Was ich auch noch sagen wollte : auch wenn „wir“ keine Tandas und Cortinas brauchen, heisst das nicht, daß wir uns regellos, Boleos-ausschlagend, rempelnd und rücksichtslos auf der Tanzfläche bewegen … aux contraire … und schwarze Schafe auf der Tanzfläche gibt es hier wie da („Freitänzer“ können eine Tanzfläche genauso blockieren, wie Milongeros, die vor lauter emocion und corazon das Auge gar nicht mehr aufbekommen, um zu sehen, was runherum so abgeht)

          Nun noch eines zu unserem blog, um den es hier zwar eh gar nicht geht, aber trotzdem : Wir wollen hier Menschen einladen in unsere Tangowelt, ihnen zeigen was wir so treiben und was uns gefällt (und das multimedial). Man kann diese Einladung annehmen, oder auch nicht, man kann goutieren, was wir tun, oder auch nicht. Wir wollen niemanden bekehren, oder umkehren, wir lassen jedem seine Meinung, beschimpfen oder diffamieren niemanden, und das erwarten wir umgekehrt auch (ist ja auch noch nicht passiert 😉 ) Gott Lob müssen wir nicht vom Tango unseren Lebensunterhalt bestreiten (schönes Wort in diesem Zusammenhang 😉 ), sondern dürfen ihn, wie die meisten anderen, einfach genießen….

          So, lieber Heinz, das war ein recht langer Text, der, wie ich hoffe, zur „Völkerverständigung“ beiträgt.

          Ich wünsche Dir weiterhin viel Freude mit deinem Tango, viele gelungene Abende, halt alles, was DU Dir vom Tango wünschst!

          Liebe Grüsse aus Wien (auch ne Tango/Reise wert 🙂 )

          Alessandra SyS

  5. Lieber Bernie, dankeschön! Bin sicher, wir treffen uns mal, kurz hinter dem Mond, so beim dritten Stern links weg 😉 die Finger verklebt mit Marillenmarmelad‘ oder Kren….
    Herzliche Grüße, Manuela

  6. Ja, ein sehr schöner Text – sehr zum Nachdenken, weit übers tanzen hinaus. Manuelas Blog habe ich schon vor einigen Monaten entdeckt und gehört zu meiner Pflichtlektüre.
    Genau das ist ja das Schöne am Tango. Sich immer wieder einlassen auf das Unbekannte. Man weiß nie was man bekommt: Bitterschokolade oder Leberwurstbrot mit Schlagobers. Aber auf keinen Fall möchte ich es vorher wissen. Ich möchte es erfahren, mit allen Sinnen, im Jetzt und Hier. Ich möchte von jedem einzelnen Tango überrascht werden, von der Musik, vom Tanz meiner Partnerin und von meinem eigenen Tanz und ich möchte dabei lachen. Und plötzlich fliegt man, in Straßenschuhen im Foyer eines Kinos vor den Klotüren, mit einer Partnerin die man ja eh schon kennt und dabei wird Striezel mit Marillenmarmelade serviert – Danke dafür.
    Servus, Berni

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