The rare lightness of being a male follower


Dieser Artikel ist Teil 2 von 2 der Serie The scent of a man : Männer folgen

Paartanz? Nein, danke. Im Alter von 14 Jahren hatte mich der damals übliche Tanzunterricht vom Paartanz und jeglicher traditioneller Tanzmusik nachhaltig abgeschreckt. Zu spießig, zu konservativ, zu langweilig. Mein Musikgeschmack entwickelte sich in eine völlig gegensätzliche Richtung: Queen, Meat Loaf, Deep Purple, ZZ Top, Iron Maiden, Whitesnake, …. – später sollte zu (Hard) Rock & Blues noch Jazz, Reggae und vor allem Ska hinzu kommen. Musik, die ich heute (> 36 Jahre später) noch höre und liebe. Und zu der ich – seltener als früher – immer noch verdammt gern Füße, Beine, Arsch und den Rest meines Körpers bewege. Und verdammt viel Spaß dabei habe.

Allerdings habe ich vor ein paar Jahren den Tango Argentino kennengelernt. Eine Tango-süchtige Freundin hat mich zu einer Milonga mitgenommen. Erst habe ich zugeschaut. Beim nächsten Mal hatte ich meine Foto-Kamera dabei und habe versucht, diese seltsamen gemeinsamen Bewegungen festzuhalten. Von dort war es ein relativ kurzer Weg zum Begehren: „Das will ich auch können.“

Doch bevor ich meinen ersten Tango-Kurs belegte, kamen Zweifel: Will ich wirklich führen? Nicht, das mir das fremd war. Im Gegenteil: In meine Day-Job als Projektleiter bin ich bereits von Morgens bis Abends am Führen. Ich fragte mich: Will ich das wirklich in meinen Feierabend und ins Wochenende hinein verlängern? Denn Führen bedeutet Verantwortung, bedeutet Anspannung, ist Arbeit.

So kam der kreative Teil meines Hirns auf die Idee, ich könne ja meine Tango-Karriere als Folgender beginnen. Was der analytische Teil meines Hirns schnell und unbarmherzig verwarf. Indem er mir eiskalt klar machte, dass – selbst wenn ich einen Partner oder eine Partnerin fände, die bereit wäre, mich im Kurs zu führen – ich bei Milongas ohne Chance sein würde, einen akzeptablen Teil der Verheißungen des Tango zu erleben. Denn, dass hatte ich vor meinem ersten Kurs gelernt, es gibt beim Tango Argentino nicht nur deutlich mehr Frauen, die um Führende konkurrieren, sondern in der Tango-Szene (zumindest in den hiesigen südhessischen Metropolen) auch ein überraschend konservatives Geschlechter-Rollenverständnis, dass mir als Folgender den Genuss vereitelt hätte.

Also entschied ich mich, meinen Tango-Untericht ganz traditionell als Führender  zu belegen. Was ich nie bereut habe. Auch wenn Führen beim Tango kein Pappenstil ist – es ist wunderschön. Und was den befürchteten Konflikt mit der Arbeit angeht: Nichts ermöglicht (mir) schneller, konsequenter und vollständiger, von der Arbeit (und allem anderen) abzuschalten als Tango. Meine anfänglichen Befürchtungen waren unbegründet.

Dennoch: Die Idee war da. Die Idee, auch die andere Seite des Tango erleben zu können. Das Folgen.

Und so näherte ich mich dem Thema vorsichtig an: Manchmal, wenn die Umstände es erlauben, schließe ich als Führender – kurz – beim Tanzen die Augen. Nur um mich – für ein paar Sekunden – auch mal ganz auf das Spüren konzentrieren zu können. Und wenn im Unterricht eine spezielle Übung für die Folgenden gemacht wird (bei der wir Führende nur zusehen sollen) mache ich die natürlich mit.

Dreimal bin ich sogar nach Wiesbaden zu einem Neo-Tango Unterricht gefahren, in dem der ständige Rollen- und Partnerwechsel fester Bestandteil des Konzeptes ist. Alle 10 min oder so wird die Rolle oder / und der Partner gewechselt. Tolles Konzept, toller Unterricht – aber auf Dauer konnte ich die Fahrerei aus Zeit- und Geldgründen leider nicht durchhalten.

Auch die folgende Szene aus dem Film „Tango Libre“ hat mich nachhaltig beeindruckt (mit Chicho Frumboli): Tango Libre – Prison Tango

Seitdem habe mich gelegentlich auf Milongas von einem Mann führen lassen (meist zu später Stunde). Eine klasse Erfahrung, die ich jedesmal genieße. Würde ich gern öfter machen. Zumal ich als Führender ein ehr kreativer, improvisierender und unkonventioneller Tänzer bin. Und ich gern genauer erfahren würde, wie sich die verschiedenen Stile zu Führen anfühlen. Aber:

Auf Milongas ist das schwierig. Ich kenne sehr wenige Männer beim Tango und nur bei Einzelnen weiß ich, dass sie mich evtl. führen würden. Die wenigen Unbekannten, die ich auf Milongas Männer führend sehe, sind meist sehr gute TänzerInnen (weit über meinem Niveau) – und scheinen sich auch gut zu kennen. Diejenigen, die – wie ich – bereit sind, aus dem traditionellen Rollendefinitionen auszubrechen, ohne schon erfahren zu sein, sind auf einer Milonga nicht zu erkennen. So ergibt sich viel zu selten die Gelegenheit, mich als Führender für Männer anzubieten, noch als Folgender – egal welchem Geschlecht.

Natürlich hilft es nicht, dass ich (im persönlichen Kontakt) nicht der kommunikativste Mensch bin. Was ich an der Tradition von Mirada und Cabeseo genieße, ist, dass ich nicht reden muss. Das jedoch macht jeden Versuch, mich (von Fremden) führen zu lassen, um so komplizierter. Im Vergleich zum klassischen Rollenverständnis ist das eben noch „Arbeit“.  Und weil ich zu Milongas gehe, um zu genießen (der normale Unterricht ist Arbeit genug), praktiziere ich es eben seltener, als ich es gern tun würde.

Ich will nicht jammern. Ich genieße Milongas, tanze gern auch mit mir unbekannten Folgenden und das Führen macht mir fast immer sehr viel Spaß. Aber ich bin neugierig auf die andere Seite und irgendwann würde ich mich auch gern an den fließenden Rollenwechsel heran wagen. Bis sich (für mich und andere) dieses Konstrukt von „Folgen“ und „Führen“ vielleicht mal ganz auflöst.

Mein Ziel im Augenblick: Nett fände ich es, auf jeder Milonga eine Tanda „folgend“ zu tanzen. Egal, ob von einem Mann oder einer Frau geführt. Um mich weiter zu entwickeln.

Vereinfacht würde das Ganze, wenn es eine Möglichkeit gäbe, zu signalisieren, dass ich für einen Rollenwechsel offen bin. Und woran ich es bei Anderen erkennen könnte. Ein Geheimzeichen, ein Button, blaue Schnürsenkel … oder sowas. Keine Ahnung. Nur so ne Idee.

Name: Carsten Buchholz

Tangoheimatort: Darmstadt

Tanzt Tango seit: 2014

Folgenrolle seit: Keine Ahnung mehr, wann ich es das erste Mal gewagt habe.

Tanzt als Folgender: Egal mit welchem Geschlecht.

Milongaempfehlung: Tango Armónico

3 Lieblingsmusikstücke:Ständig wechselnd, im Augenblick gerade vielleicht:

Vielleicht aber auch andere.

Carsten Buchholz blogt als NeunMalSechs (über alles mögliche) mit einer eigenen Tango-Sektion.

Lieber Carsten, herzlichen Dank für Deinen Gastbeitrag, den ich sehr spannend fand. Besonders die Tatsache, dass Du gern als Folgender begonnen hättest zu lernen und welche „praktischen“ Überlegungen das verhindert haben. Ich hoffe, dass Du mal unsere XPT in Wien besuchst, Peter tät sicher mit Dir tanzen! Ich wünsche Dir weiterhin viele schöne Tangos – in beiden Rollen! Alles Liebe Alessandra

Carsten Buchholz

Carsten Buchholz

Carsten Buchholz blogt als NeunMalSechs (über alles mögliche) mit einer eigenen Tango-Sektion.
Carsten Buchholz

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2 thoughts on “The rare lightness of being a male follower

  1. Hi lieber Tom,
    Lustig: ich habe die gleiche Größe und das gleiche Gewicht wie du (OK, 1-2kg mehr sogar).
    „Dialogischen Tanz mit aktiven Folgenden“ finde ich gut… ich denke, ich praktiziere das bis zu einen gewissen Grad – sollte ich vielleicht noch aktiver tun.

  2. Hi lieber Carsten,
    ich kann diesen Beitrag wunderbar nachvollziehen und deine Beobachtungen aus eigener Erfahrung nur bestätigen! Ich hatte den Wunsch zu folgen erst später und zunächst vor allem, weil ich spüren wollte, wie sich die Führungsimpulse anfühlen und besser gestalten lassen. Aber ich stieß oft an die gleichen Grenzen wie du, zumal ich mit 183 cm Größe und knappen 90 kg ja auch kein ganz so leicht zu handelndes Päckchen bin!
    Dazu kommt das Problem, dass wir Männer kaum gewohnt sind, auf den Ballen in Balance zu warten bis ein klarer Impuls uns Richtung gibt. (Zumal wir den dann auch selten erhalten, weil unsere Führenden oft selbst die neue Rolle übende Männer oder Frauen sind!)
    Allzu oft verfallen wir der eigenen Eingebung, wo es denn hingehen soll und setzen den Schritt (und der andere muss mit …).
    Wir müssen da also erstmal lernen uns zurückzuhalten, wo wir doch als Führende ganz im Gegenteil erst lange lernen mussten, unsere Unsicherheiten, Ängste und Selbstzweifel zu überwinden, um in Klarheit voran und „durch die Dame durch zu gehen“!
    Ich bin als Folgender mangels regelmäßiger Übung leider noch immer verdammt dürftig. Aber immer mehr genieße ich den dialogischen Tanz mit aktiven Folgenden, die eigene Impulse setzen, denen ich kreativ folgen darf. Immer mehr beginne ich schon ganz bald nach dem Start einer Tanda, Raum zu geben und zu lauschen, ob die (oder der) Holde in meinen Armen nicht beginnen mag, in ganz eigen geführten Verzierungen und rhytmischen Mustern dem gemeinsamen Tanz individuellen Charakter zu geben. Mir macht auch dieses Folgen enorm Spaß! ?

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